Samstag, 24. Dezember 2022

(24/24) Adventskalender mit 24 Erinnerungen an Bern: DAS SCHWEIZER INSTITUT FÜR REBELLIONSFORSCHUNG (SIR)

Jesus war in erster Linie ein Rebell. Doch eine systematische Forschung zum Rebellierverhalten der Menschen existierte bis 2017 nicht. In diesem Jahr wählten die Organisatoren des Strassenkunstfestivals BUSKERS "Rebell" als Thema auf der Münsterplattform. Weil ich wegen meiner regelmässigen, unerlaubten kulturellen Gassennutzung als poetischer Rebell der Altstadt bekannt geworden bin, wurde ich von der Festivalgründerin Christine Wyss angefragt, für dieses Thema ein Kunstprojekt auf die Beine zu stellen. So kam es am 10. August 2017 zur Gründung des Schweizer Instituts für Rebellionsfoschung (SIR).


Pippi Langstrumpf ist das Maskottchen des Schweizer Instituts für Rebellionsforschung (SIR).

Rebellionsschwester Lucy Aicul assistierte die Rebellionspatientinnen beim Ausfüllen des Fragebogens und bei der Erstellung des RebelSpiders während des Strassenkunstfestivals Buskers Bern auf der Münsterplattform.

Flyer für die erste Rebellen-Therapie während dem Buskers auf der Münsterplattform.

Dreh- und Angelpunkt des Instituts war ein ausrangiertes, sechsplätziges Gondeli der Engelberg-Titlisbahnen und der damit verbundene Multiple-Choice-Fragebogen "SmartRebel". Den Fragebogen konnte man an drei antiken Schulbänken ausfüllen. Es gab 16 Fragen zu acht verschiedenen Rebellionsdimensionen. Aufgrund den Antworten konnte man - ähnlich wie bei Smartvote - eine Spinnennetz-Graphik (RebelSpider) erstellen, welche das persönliche Rebellierverhalten auf vier Achsen abbildete.

Bei meiner Matura-Arbeit verfasste ich eine Art Vorläufermodell von Smartvote. 2017 erkannte ich allerdings, dass man in erster Linie nicht das Wahl- sondern das Rebellierverhalten messen sollte.


Dies sind die 8 Rebellionskategorien des SmartRebel-Fragebogens:
* REBELLIONSWISSEN: untersucht die Kenntnis zur Rebellionshistorie
* REBELLISCHES SOZIALVERHALTEN: gibt Auskunft über den praxisbezogenen Umgang mit der Nächstenliebe
* MEDIEN-REBELLION: gibt Aufschluss über Medien-Konsum und -Nutzung
* LEBENSSTIL-REBELLION: thematisiert das Einkauf- und Reiseverhalten sowie den Umgang mit Handys etc.
* POLITISCHE REBELLION: beschäftigt sich mit den in der Schweiz reichlich zur Verfügung stehenden Mitteln, im politischen Prozess partizipieren zu können
* POETISCHE REBELLION: Werden die künstlerischen Möglichkeiten auch zum Aufbegehren genutzt?
* BERNER REBELLIONSERFAHRUNGEN: untersucht die persönliche Berner Rebellions-Biographie
* REBELLIERBEREITSCHAFT: geht der Frage nach, wie weit jemand bereit ist, sich für die Wahrheit oder für ein anderes gerechtigkeitsförderndes Anliegen einzusetzen

SmartRebel. Kurz erklärt: Zum Rebellen + zur Rebellin in 5 Schritten.
Nachdem die Teilnehmer_innen des Forschungsprojekts an den Schulbänken den Fragebogen ausgefüllt und die Spinnennetz-Graphik mit Unterstützung einer Instituts-Schwester gezeichnet haben, durften sie alleine oder maximal zu fünft in das Rebellen-Gondeli steigen. Nach kurzer Reflexion zum persönlichen Rebellionsverhalten anhand des "RebelSpiders", fragte ich als "Rebellendoktor" die "Rebellenpatientin", in welchen Dimensionen sie ihre Rebellion mit welchen Themen weiterentwickeln möchte. Ich zeigte aufgrund ihrer Antwort auf einem goldig eingerahmten Bildschirm zwei bis drei kurze Filmsequenzen, welche die Patientin zu einer gewünschten aufständischen Verhaltensänderung anregen konnten.
Wenn zum Beispiel jemand nur Mainstream-Medien konsumierte, erhielt er eine geringe Punktzahl in der Kategorie "Medien-Rebellion". Wollte er mehr zu diesem Thema erfahren, so zeigte ich im Gondeli eine zweiminütige Rede des Journalisten Ken Jebsen vom leider inzwischen vollständig zensurierten Medienkanal KenFM. Oder ich konfrontierte ihn mit den Ausführungen des Historikers Dr. Daniele Ganser zum Medien-Navigator von www.swprs.org . Wenn jemand seine Rebellierbereitschaft erhöhen wollte, zeigte ich ihm eine Dialog-Sequenz vom Film "Blue in the face" und reflektierte mit ihm die gezeigte Filmszene.
Während der Videobehandlung schrieb ich jeweils auf einem Zettel das für die Klientin massgeschneiderte, animierende Rebellen-Rezept. Folgende Medizin verordnete ich meinen Klienten und Klientinnen: Filme, Songs, Bücher, Websites und Berner Orte. Jede/r erhielt dazu drei bis neun Empfehlungen, mit denen sie ihre Rebellionspersönlichkeit weiterentwickeln konnte.

Schritt 1/5: Ausfüllen des Fragebogens

Schritt 2/5: Zeichnen des Rebellions-Kompass (Rebel Spider)

Unterschiedliche RebelSpiders: Eine Analyse zeigt, dass beim bunten Spider ganz links die Medien-Rebellion ausbaufähig ist, das heisst die Entdeckung von Medienkanälen, welche sich bei ihrer Berichterstattung voll und ganz der Wahrheit statt der Propaganda und (Selbst-)Zensur verschrieben haben.

Die damalige SP-Stadträtin Patrizia Mordini zeichnet sich aus durch eine herausragende Kenntnis der Rebellionsgeschichte sowie durch eine hohe Rebellierbereitschaft. Bezüglich dem Sozialverhalten, der Poesie und des Lebensstils ist das rebellische Potential noch nicht ganz ausgeschöpft.

Der Stadtrat und auch heutige Grossrat Alexander Feuz hat ein grosses Geschichtsverständnis der Rebellion, zeigt jedoch selbst keine Bereitschaft auch zu rebellieren. Dass in der SVP wie auch bei den anderen politischen Parteien keine Bereitschaft vorhanden ist, sich gegen menschenrechtsfeindliche Verordnungen aufzubegehren, hat uns das C-Konditionierungsprogramm ab März 2020 vor Augen geführt. Dafür trifft Feuz wenigstens auch Mitmenschen ausserhalb seines angestammten Kreises an Gesinnungsgenossen und profiliert sich deshalb als Politiker mit einem ausgesprochen hohen rebellischen Sozialverhalten.



Typischer RebelSpider eines Linksalternativen im fortgeschrittenen Alter mit einer geringen Medienkompetenz.

Schritt 3/5: Rebellions-Reflexion. Erörterung des vom Patient angestrebten Rebellionsverhalten.

Schritt 4/5: Vorführung von entsprechenden rebellischen Videosequenzen im Gondeli.

Schritt 5/5: Ausstellung eines möglichst persönlichen, animierenden Rebellen-Rezepts mit Film-, Musik-, Bücher, Website-Empfehlungen sowie Berner Orte, die man besuchen kann.

Animierendes Rebellen-Rezept für Julie, ausgestellt im Bondeli-Gondeli während des Buskers auf der Münsterplattform am 12.8.2017. Ich verschrieb die Biographie-Verfilmung über den Künstler Jean-Michel BASQUIAT, den Dokfilm BERNER BEBEN über die Berner Jugendunruhen von 1980-1989, das apokalyptisches Hörspiel über den Journalisten NIKLAUS MEIENBERG von Samuel Schwarz sowie eine kleine Dosis "Ganserol", nämlich ein Kapitel aus Dr. Daniele Gansers Buch ILLEGALE KRIEGE über den Krieg des US-Imperiums gegen Kuba sowie zwei damals frei stehenden Häuser im Berner Obstbergquartier.

Das Gondeli, das ich wegen dem avantgardistischen, literarischen Salon aus dem 18. Jahrhundert von Samuel Henzis Schüleirn Julie Bondeli liebevoll "BONDELI-GONDELI" nannte, war anlässlich des Buskers für drei Tage auf der Münsterplattform, dann zügelten wir es mithilfe eines Trolleys zum Vorplatz der Reitschule. Siehe dazu Video im Anhang. Danach rollten wir es über die Lorrainebrücke an die Lorraine-Chilbi. Dann war es in der Altstadt bei mir unter den Lauben sowie an der Mintstrasse anlässlich des Murifeldfestes und an der Spichergasse im PROGR_Zentrum für Kulturproduktion

Das "Bondeli-Gondeli" mit dem darin aufgehängten, gold eingerahmten Bildschirm war das Herzstück des Schweizer Instituts für Rebellionsforschung. Wir transportierten das sechsplätzige Gondeli von der Münsterplattform zum Vorplatz der Reitschule, dann weiter ins Nordquartier an die Lorraine-Chilbi, in die Rathausgasse, ans Murifeldfest sowie ins Kulturzentrum PROGR.

Alle Beteiligten hatten grosse Freude an diesem begegnungsintensiven, konfrontativen und reflexionsfördernden Projekt. Aufgrund anderen laufenden Engagements habe ich mich nie wirklich professionell auf die Weiterentwicklung des Schweizer Instituts für Rebellionsforschung (SIR) konzentriert und das SIR blieb bis zum heutigen Tag lediglich ein Kunstprojekt, obschon ca. 300-400 Berner_innen den Fragebogen ausgefüllt haben und viele Freunde mir geraten haben, an diesem Projekt dran zu bleiben. Es ist nicht auszuschliessen, dass ich das SIR in Zürich an einem geeigneten Standort wieder etabliere. Vorausgesetzt die dafür finanziellen Mittel werden mir zur Verfügung gestellt, so dass auch Zürich mit dem Spirit der Berner Dr. Strangelove Videoapothek konfrontiert werden kann.
( IBAN Nummer: CH91 0900 0000 3125 3958 9 BIC: POFICHBEXXX Schweizer Post, PostFinance AG, Mingerstrasse 20, 3030 Bern Postkonto: 31-253958-9 Kontoinhaber: Stefan Theiler )

Inspirationsquelle für das SIR war Dr. Daniele Gansers Swiss Institute for Peace and Energy Research (SIPER). Ich bin im Februar 2017 durch die SRF-Arenasendung auf den Friedensforscher Ganser gestossen und fühlte mich seither berufen, dieses neu erlangte Wissen in der Bundeshauptstadt meinen Mitmenschen weiterzugeben. Das im August gegründete SIR war ein Vehikel dafür.

Überhaupt sollten wir uns alle mit dem Thema des Aufbegehrens intensiver befassen, gerade weil wir in einer Zeit leben, in welcher der Staat uns Menschen immer mehr zu orientierungslosen Weisungsempfänger und sadomasochistischen Befehlsausführer machen will. Bei den meisten unter uns war die Konditionierung, Manipulation, Dressur und Abrichtung so erfolgreich, dass neben Corona auch mit anderen Themen der gesunde Menschenverstand und den Widerstandswillen komplett ausgeschaltet werden kann.

Das SIR erstellte auch kleine Graphiken mit Portraits
von lokalen, nationalen und internationalen Rebellinnen und Rebellen.
Zudem könnte das Institut in weiteren Forschungsfelder der Rebellion tätig werden. Feldstudien durchführen, eine an den Film "A Clockwork Orange" angelehnte Ludovico-Therapie bei Politikern, Medienschaffenden und Wissenschaftlern durchführen, Vorträge mit offenen Diskussionsrunden veranstalten und zum wichtigsten Thema konkrete Vorschläge ausarbeiten. Nämlich zum Thema, wie wir durch die von Corina hervorgerufene gegenseitige Krönung der Verhöhnung zur Krönung der Versöhnung gemeinsam transformieren können. Dies wäre sicher auch im Interesse Jesus.

SmartRebel-Fragebogen (1/4).
Seit 2020 würde ich natürlich ganz andere
Multiple-Choice-Fragen stellen und andere
Auswahl-Antworten anbieten.

SmartRebel-Fragebogen (2/4).

SmartRebel-Fragebogen (3/4). SmartRebel-Fragebogen (4/4).

Ich hoffe ich habe mit diesem Adventskalender "24 Erinnerungen an Bern" ein lebendiges und anschauliches Bild von meinem Leben und Wirken rund um meinen Laden an der Rathausgasse in der Bundeshauptstadt von 2009-2021 zeichnen können. Vielleicht habe ich es ja sogar geschafft, beim einen oder bei der anderen Vorurteile und Gerüchte über meine Person abzubauen, die seit 2017 in verschiedenen Szenen und Bewegungen über mich verbreitet werden. Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit, Stefan Theiler

Freitag, 23. Dezember 2022

(23/24) Adventskalender mit 24 Erinnerungen an Bern: EUGEN RENGGLI - DER BILDHAUER AUS DEM JURA, DER EIN ENGEL WAR UND IMMER NOCH IST

Tausenden Seelen durfte ich in den über zwölf Jahren in der Berner Altstadt begegnen. Wenn es einen Menschen gibt, den man als heiligmässige Engelsgestalt beschreiben könnte, dann wäre es der Bildhauer und Seelsorger Eugen Renggli aus Lucelle im Kanton Jura. Für den Nachkommen unseres Heiligen Landesvaters Bruder Klaus war ein Mensch dann heilig, wenn er vom falschen Denken geheilt worden ist. Denkt bitte selbst darüber nach, was das bedeuten kann.

Das einzige Portraitfoto, dass ich von Eugen Renggli habe. Es gibt auch keine einzige Audio- oder Videoaufnahme von diesem wunderbaren Mensch. Das haben wohl Engel so an sich..


Eugen Renggli war Bildhauer. Seine meisten Werke sind religiös motiviert, darunter sind:
Ohtmarli – Miniatur eines Jungenkopfes (Othmar im Jahr 1946)
Engel
Warning – Verkündigungsengel
Christus am Kreuz
Reconciliation (die Versöhnung)
Sankt Martin teilt seinen Mantel in der Kapelle Sankt Martin von Bättwil im Jahr 1990
Jésus Christus (in einer Krippe)
Erzengel Michael
Diverse Aphorismen über angewandte Kunst
Begegnung / Rencontre
David / Goliath
Der gute Hirte
Siesta (Studie in Wachs 1938)
Engel des Trostes (1951)


Skulptur: Erzengel Michael

Im Januar 2012 durfte ich den damals 88-jährigen energiegeladenen Menschen mit einer überirdischen Ausstrahlung zum ersten Mal begegnen, weil er in den Monaten und Jahren zuvor jeweils die Rathausgasse wegen den Schaufenstern des kleinen Bücher-Imperiums der Familie Wild besuchte.
Weil mein kleines Lädeli keine zehn Meter davon entfernt war, hatte der gross gewachsene, schlanke Mann mit seinen hellwachen Augen die legendären Marx Brothers entdeckt, die zu jener Zeit in Endlosschleife in meinem Schaufenster-Fernseher liefen. Er sah auch, dass ich neben den DVDs auch Schallplatten anbot und so kam er in meinen Laden hinein und fragte, ob ich interessiert wäre, die Schallplatten-Sammlung von einem verstorbenen Freund zu erben.

Einladungsflyer zur 10-Jahres-Jubiläumsparty von Dr. Strangelove Videoapothek. Ich erzählte an diesem Anlass auch von zehn verstorbenen Mitmenschen, die mich sehr geprägt haben. Fünf von zehn haben in diesem Avdentskalender ein "Türli" bekommen.
Tor 3: Ruedi Zemp, 4. von links
Tor 12: Michele Bellino, ganz links
Tor 14: Luigi Spadini, 6 von links
Tor 10: Alexander Wild, ganz
rechts und eben
Tor 23: Eugen Renggli

Ich war verblüfft von seiner Beweglichkeit sowie von seiner warmen, hellen Stimme. Sein wacher Geist und seine ausdrucksstarken Augen zogen mich in seinen Bann. Er sprach immer wieder von der Begegnung als sein wichtigstes Credo im Leben und in seinem Kunstschaffen. Was mich zu Tränen rührte, war seine Mission, die er von seiner Mutter geerbt hatte:

BEGEGNUNG heisst diese Skulptur des Bildhauers Eugen Renggli.

In seiner Freizeit besuchte er über 65 Jahre lang in regelmässigen Abständen alte, einsame Kranke und Bewohnerinnen von Räumen, aus denen man nicht mehr oder nicht so leicht wieder rauskommt. Mit seinem Auto fuhr er jeweils von Lucelle quer durch die Schweiz und steuerte damit Altersheime, Gefängnisse und Psychiatrien an. Oft fragte er einfach nur im Empfang des Altersheims, ob man ihm eine Klientin nennen kann, die besonders einsam und trostlos in ihren vier Wänden dahinlebt. So kümmerte sich Herr Renggli dafür, dass es nicht bloss zu einer einmaligen Begegnung kam, sondern, dass er den Menschen in regelmässigen Abständen besuchte, also ihn nicht bloss begegnete, sondern ihn sogar begleitete.

30-minütige Radiosendung mit Texten über Engel vom Religionswissenschaftler Otto Betz.
Für Herr Renggli brennte ich 95 CDs, die zusammen mit der Todesanzeige an 95 Hinterbliebenen versendet worden sind. Dies war zumindest der Wunsch von Herr Renggli.
Sein Vorleben der Nächstenliebe, der Fürsorge, der Begegnung und der Begleitung hat mich so stark geprägt, dass ich diese Haltung zu meinem politischen Programm gemacht habe, bei meiner ersten Kandidatur für den Berner Gemeinderat im November 2016. Ich strebte das Amt des Sicherheitsdirektors an, da dieser Amtsinhaber - in Bern ist es immer noch Reto Nause - scheinbar am Schalthebel sitzt, eine Stadt nicht bloss zu einer auf den Strassen gelebten Kulturstadt, sondern eben auch zu einer Begegnungsstadt zu machen. Alle zehn Forderungen auf meinem Wahlflyer waren darauf ausgelegt, die Begegnung zwischen den Menschen zu fördern. Siehe Flyer-Rückseite meiner Kandidatur aus dem Jahr 2016.

Mein Wahlversprechen war: "Bern wird die Begegnungsstadt, in der sich alle Menschen unabhängig von Herkunft, Kultur, Einkommensklasse, Religion, Generation, Szene und Gesinnung einander begegnen können." Begegnungsfeindliche Schikanen wie Verbote und Bewilligungen hätt ich so weit wie möglich abgebaut und begegnungsfreundliche Projekte ausgebaut. So hätte hätte zum Beispiel die Stadt mit mir als Gemeinderat saisonal abwechselnde Gastländer bestimmen können, die auf Berns öffentlichen Plätzen mit Musik- und Filmveranstaltungen präsent sind, dort ihr (traditionelles) Handwerk traditionellen Handwerks und mit Ständen für Nahrung und fliegenden Händlern mit Bauchläden eine fremde Kultur den Bernerinnen und Bernern nahe zu bringen. "Auf lange Frist würde dadurch die Invalidenversicherung und das Gesundheitswesen entlastet und die Integrationsbereitschaft der Menschen gestärkt." Doch man hatte in der Bundeshauptstadt kein Interesse an diesen Ideen.

"So wird Bern zur Begegnungsstadt" war mein Slogan für meine erste Kandidatur für den Berner Gemeinderat aus dem Jahr 2016.
Meine 12 begegnungsfördernde Punkte für Bern aus dem Jahr 2016.

Eugen Renggli inspirierte mich zu dieser Vision und er hätte in meinem Schattenkabinett von 2016 auch noch gleich das Ministerium für Begegnung erhalten.

"Bern wird die Begegnungstadt, in der sich alle Menschen unabhängig von Herkunft, Kultur, Einkommensklasse, Religion, Generation, Szene und Gesinnung einander begegnen können. Auf lange Frist wird dadurch die Invalidenversicherung und das Gesundheitswesen entlastet und die Integrationsbereitschaft der Menschen gestärkt."

Die Freundschaft mit Herr Renggli dauerte über drei Jahre bis zu seinem raschen Tod am 11. September 2016 an. Er besuchte mich ca. jeden oder jeden zweiten Monat in der Rathausgasse. Da er sein Erscheinen nie ankündigte, wollte ich keine Minute vom Laden fern bleiben, weil immer die Möglichkeit bestand, dass Herr Renggli in meinem Laden plötzlich auftauchen könnte.
Mit 92 Jahren verfasste er ein Jahr vor seinem Tod ein Buch mit Aphorismen über Kunstreflexion, Begegnung und Glück. Neben seinen philosophischen, theologischen und bildhauerischen Ausführungen zu Engeln, war das damit eng verknüpfte Thema der Begegnung zeitlebens der Dreh- und Angelpunkt seines Wirkens. Höre dazu auch den DRS2 Beitrag des Theologen Otto Betz über Engel.
Uns verband ab Februar 2012 auch eine Brieffreundschaft. Er verfasste seine Briefe wie auch das Couvert mit einer Schreibmaschine. Ich staunte nicht schlecht, als ich auf dem leuchtend grünen Briefumschlag las:
AUTOR
STEFAN THEILER
RATHAUSGASSE 38
3011 BERN
Der erste Brief enthielt:
* 4 x gefaltete A4 Kunstkarten mit den von ihm erbauten Skulpturen der Erzengel. Auf einer Rückseite befand sich das untenstehende Gedicht über Engel.
* 2 x mit der Schreibmaschine gestaltete Texte zur Kunstreflexion
* 1 x kleines Blatt mit Briefbeschreib und Bitte
"Engel, ist es wahr,
dass du keinen Körper hast
und doch da bist..
Engel, ist es wahr,
dass du keine Füsse hast
und doch mit mir Schritt hältst...
Engel, ist es wahr,
dass du keine Ohren hast
und doch alles hörst...
Engel, ist es wahr,
dass du keine Augen hast
und doch alles siehst...
Engel , ist es wahr,
dass du keine Hände hast
und mich doch schützend hältst...
Engel, ist es wahr,
dass du mich liebst
auch wenn ich oft
an deiner Gegenwart zweifle...
Engel, ist es wahr,
dass du mein verzagtes Herz
immerzu in GOTTES HAND legst..."
Mögest Du, Engel Eugen, Deine Hände schützend über diese verirrte Menschheit legen. Tausendundein Dank, dass ich Dich kennenlernen durfte.
Eugen Renggli: *10.5.1923 - †11.9.2016
Zitat aus der DRS-Radiosendung von Otto Betz über Engel:
"Die Botschaft des Engels ist auch eine Aufforderung,
der oder die zu werden,
als der oder die ich gedacht bin.
Denn wen wir ehrlich mit uns umgehen,
dann müssen wir zugeben,
dass wir weit hinter dem geahnten Umrissen
unseres Wesen zurückgeblieben sind.
Der Engel ist uns immer Voraus.
Er ist das, was wir noch nicht sind."
Mein Name ist nicht mehr Eugen, sondern Engel!

Eine Seite aus Rengglis Buch über Kunstreflexion.
Er veröffentlichte seine Gedanken mit 92 Jahren,
ein Jahr vor seinem Tod.
Adventsbotschaft aus dem Hebräerbrief:
!!!"Vergesst die Gastfreundschaft nicht, denn durch sie haben etliche, ohne es zu merken, Engel gastlich aufgenommen."!!!

Donnerstag, 22. Dezember 2022

(22/24) Adventskalender mit 24 Erinnerungen an Bern: AZIZ Toure - DER INTEGRATIVSTE WESTAFRIKANER, DEN BERN JE HATTE

Ich weinte, und weinte, und weinte. Ich wusste nicht, dass sich in meinem Körper so viel Wasser befand, so fest habe ich geweint an diesem milden Februartag im 2013. Vom frühen Nachmittag bis Mitternacht habe ich durchgeweint. Noch nie habe ich wegen dem Verlust eines Menschen so viele Tränen vergossen. Was ist geschehen?

Aziz im Publikum der offenen Bühne Tsunderobsi
im Schlachthaus-Theater in der Rathausgasse, Bern.

Mein treuster Wegbegleiter in Bern vom Frühling 2012 bis Winter 2012/13 wurde nach dreizehn Jahren Leben und Wirken in der Schweiz zurück nach Dakar in den Senegal abgeschoben. Gearbeitet hatte er hier immer, zum Beispiel im Gotthardtunnel, bei der mobilen SBB-Minibar oder in der Berner Postfinance-Arena als Koch.
Der Buchstabe C vom Wort S C H W E I Z E R stehe für ihn für „Chrampfe". Die sagt er fünf Tage vor seiner Ausschaffung in der Radiosendung FILMAPOTHKE über den Klassiker DIE SCHWEIZERMACHER. Während der Zeit in der Bundeshauptstadt gab er am Campus Muristalden auch Integrationsworkshops, war für ein Stück von Raphael Urweider Schauspieler im Schlachthaus und im Berner Stadttheater und für meine Sendung "Filmapotheke" auch Radiomacher bei Radio RaBe.


Link zur Radiosendung über DIE SCHWEIZER MACHER https://www.facebook.com/677872161/videos/1609859462799337/

Die Rede ist von Aziz Abdoul Touré, dem wohl integrativsten, sprich begegnungsfördelichsten Westafrikaner, der jemals in Bern gelebt hatte.
KENNENGELERNT
habe ich ihn während eines typischen morgendlichen Berner Altstadtspaziergangs an einem sonnigen und warmen Tag im März auf der Bundesterrasse. Ich war gerade dabei meine vierte Radiosendung zu Rainer Werner Fassbinders Film „Angst essen Seele auf“ für das Privatradio „Radio Bern“ vorzubereiten, da sah ich diesen gross gewachsenen, feingliedrigen dunkelhäutigen Mann mit Brille, Kugelschreiber und Notizblock auf einer Parkbank.
Ich steuerte auf ihn zu und fragte ihn, was er hier aufschreibt. Er teilte mir mit, dass er typische Berndeutsche Ausdrücke auf dem Blatt notierte und umschrieb diese in englischer Sprache. So zum Beispiel. „You want somebody to leave, but you are too shy to tell him.“ Auf Berndeutsch sagt man „Ausooo“. Da Aziz im Senegal und nicht im benachbarten Gambia aufgewachsen ist, zählt Wolof und Französisch zu seiner Muttersprache. Er bat mich deshalb sein Englisch zu korrigieren und stellte sich als "Dr. Bärndütsch XXL" vor.
Dieses Zusammentreffen markierte den Beginn einer leider nicht langen, dafür aber umso intensiveren und kulturell befruchtenden Männer-Freundschaft. Aziz war drei Monate zu wenig lang mit einer Frau mit Schweizer Pass verheiratet gewesen, was letztendlich dazu führte, dass trotz regelmässigen, unbefristeten Arbeitsverhältnissen sein Visum abgelaufen ist und er das Land deshalb verlassen musste.
KULTURELLE BEREICHERUNG
Ich fand die Idee mit den Berndeutschen Ausdrücken so genial, dass ich spontan Aziz als "Dr. Bärndütsch XXL" in die vierte Radiosendung über das deutsch-marokkanische Sozialdrama integrierte. Aziz wollte weitere Radiosendungen machen und so zeigte ich ihm im Hinterzimmer des Ladens zwei, drei Filme, von derer Heilkraft ich überzeugt war. Er entschied sich für den spanischen Film "Hable con ella" (Sprich mit ihr) von Pedro Almodovar. Leider kann aus urheberrechtlichen Gründen die Sendung nicht hochgeladen werden.

In dieser Ausgabe tritt Aziz jeweils vor und
nach den Musiktitel als Dr. Bärndütsch XXL auf.

Aziz wohnte dazumal am Bubenbergrain, am kleinen, steilen Strässlein, das die Altstadt mit dem Mattequartier verbindet. Er kam fast jeden Tag zu mir in und vor den Laden. Er half mir bei der Organisation von Konzertreihen, produzierte mit mir insgesamt sieben Radio-Sendungen auf RaBe, kochte unter den Lauben mehrfach senegalesisches Essen und bestellte mehrere afrikanische Musiker an die Rathausgasse. Er trat auf als Stand-up-Comedian auf der offenen Bühne Tsunderobsi, half mit bei der Erstellung diverser Flyer und organisierte "Soirées Africaine" in der links-alternativen Beiz Café Kairo mit Isaac Biaas als Griot-Sänger.

TGV. Die Radiosendung über den Film aus Senegal
setzt sich mit Aziz Kultur auseinander und therapiert
den fiktiven Leiter der Berner Verkehrsbetriebe.
LINK ZUR RADIOSENDUNG ÜBER TGV:

Was ich an ihm besonders zu schätzen lernte, war sein positiver "Can-Do-Spirit", die Fähigkeit fremde Leute mit seiner heiteren, integrativen Art anzusprechen und seinen Tatendrang die senegalesische Kultur mit den Bernern durch das Organisieren von Anlässen zu teilen. Er konnte aber auch stundenlang unter den Altstadtlauben und auf der Rathausgasse mit den alt eingesessenen - leider inzwischen alle verstorbenen - Altstadtoriginalen auf dem Laubenbänkli philosophieren.

LINK ZUR RADIOSENDUNG ÜBER MONSIEUR IBRAHIM https://www.facebook.com/677872161/videos/698210001694253/

MAN STELLE SICH VOR
Aziz wäre in Bern geblieben und wir hätten Freunde bleiben können und hätten zusammen viele weitere kulturelle sowie auch poe(li)tische Veranstaltungen organisiert. Mit seiner disskussionsbereiten Art hätte er es nie zugelassen, dass sich Berner während der Corona-Zeit derart abgekapselt und das Mediennarrativ unkritisch runtergeschluckt hätten.
Im Sommer 2020 hatte er in der Hauptstadt Senegals im muslimischen Quartier Canberenne sogar zu offenen Bühnen eingeladen, um über das uns global allgegenwärtige dominierende Thema offen zu diskutieren. Ca. 50 Senegalesinnen und Senegalesen sind gekommen und schätzungsweise ein Dutzend hatte während der offenen Bühne ihre Mund-Nasenbedeckung abgezogen. In der Schweiz wäre ein derartiges "Masken-fallen" nie möglich gewesen, da Schweizer ihre Eitelkeit nicht gerne verletzt sehen können, schon gar nicht in der Öffentlichkeit. Deswegen halten heute noch die meisten am staatlich vermittelten C-Narrativ krampfhaft fest.
Ein Jahr nach seiner Abschiebung in den Senegal versuchte ich Aziz zurück in die Schweiz zu holen. Ich bot ihm sogar ein Arbeitsvertrag an. Doch der Lohn wurde von der Behörde SECO als zu tief eingestuft, weswegen sie ihm keine Erlaubnis für einen dreimonatigen Aufenthalt in der Schweiz gewährt wurde.

Flyer für die Abende im Café Kairo


AZIZ, ICH VERMISSE DICH UND BERN BRAUCHT DICH MEHR DENN JE.